In Ratingen-Mitte befindet sich eine der ältesten Industrieanlagen Deutschlands. Das frühindustrielle Ensemble ist fast vollständig erhalten: die fünfstöckige „Hohe Fabrik“, die „Alte Fabrik“, die schlichten Arbeiterwohnungen, das Kontor und das Radhaus, das einst das Wasserrad beherbergte sowie das spätbarocke Herrenhaus, in dem sich heute ein Museum befindet.
Die Fabrik
Die Fabrik wurde 1783/84 von dem Wuppertaler Kaufmann Johann Gottfried Brügelmann nach englischem Vorbild gegründet. Benannt ist sie nach dem englischen Ort „Cromford“, in dem dieses Vorbild stand. Sie gilt als erste vollmechanische Baumwollspinnerei auf dem europäischen Kontinent.
Das Herrenhaus
1787 erbaute der Fabrikgründer das Herrenhaus, das sich am Baustil des Spätbarock und Rokoko orientierte. davor ließ Brügelmann einen Park ebenfalls im barocken Stil anlegen. Dabei handelte es sich um zwei ornamental gestaltete Beete, deren Mittelweg zum Eingang des Herrenhauses führte.
Die Integration von herrschaftlichem Wohnsitz, Fabrik und Arbeiterwohngebäuden war bis ins 19. Jahrhundert durchaus üblich. Viele Industrielle bauten ihre Villen direkt auf dem Fabrikgelände, so dass der ständig anwesende Unternehmer seine Arbeiter und Angestellten besser überwachen und damit nicht zuletzt seine Macht dokumentieren konnte. Wie in der Villa der Renaissance, schaffte ein Garten oder Baumpark die nötige Distanz zum Produktionsbereich.
In Anlehnung an die ursprüngliche Anlage ist der dem Herrenhaus vorgelagerte Garten in den 1980er Jahren neu geplant und mit einer auf den Mittelrisalit des Herrenhauses achsensymmetrisch ausgerichteten Schmuckpalmette, zwei Rasenstücken mit einer mittleren Lindenallee, die in einem Baumsaal endet, als öffentliche Anlage wieder hergestellt worden.
Heutige Nutzung
Die Baumwollspinnerei Cromford mit ihren Fabrikgebäuden, den Arbeiterwohnungen, dem Herrenhaus und dem davor liegenden Park sowie der dahinter liegenden Anger ist eines der wenigen Fabrikensembles aus der frühen Phase der Industrialisierung, deren Gebäude bis heute erhalten geblieben sind. 1985 wurde die ehemalige Textilfabrik unter Denkmalschutz gestellt. Nach aufwendiger Restaurierung der Gebäude ist Cromford seit 1996 Standort des LVR-Industriemuseums, das die Frühphase der Industrialisierung thematisiert.
Anhand von originalgetreu nachgebauten Spinnmaschinen lässt sich im Schaubetrieb die Herstellung von Baumwollgarn wie vor 200 Jahren vom Rohstoff bis zum fertigen Garn nachvollziehen. Das mächtige, hölzerne Wasserrad, das im 18. Jahrhundert sämtliche Spinnmaschinen der Fabrik antrieb, liefert der „Water Frame“, der ersten vollmechanischen Spinnmaschine, heute wieder die Energie. Darüber hinaus wird am Beispiel der Geschichte Cromfords in der Ausstellung die Einführung des Fabriksystems in Deutschland thematisiert.
Sieben Schauplätze — Ein Museum: Das LVR-Industriemuseum
Das LVR-Industriemuseum (bis Oktober 2008 Rheinisches Industriemuseum RIM) ist ein dezentrales Museum mit sieben Standorten in sechs Kommunen des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR). Es hat seinen Hauptsitz in Oberhausen, Hansastraße 18.
Geplant wurde das Museum in den 1970er Jahren durch das Rheinische Amt für Denkmalpflege sowie das Rheinische Museumsamt. Gegründet wurde es am 10. Mai 1984 durch den Landschaftsverband Rheinland. Unterstützt wurde der Aufbau des dezentralen Museums von der Landesregierung NRW, der Denkmalpflege, den beteiligten Städten und durch Fördervereine an den jeweiligen Standorten.
Dem LVR-Industriemuseum sind folgende Standorte angeschlossen:
- Bergisch Gladbach: Papiermuseum Alte Dombach
- Engelskirchen: Kraftwerk Ermen & Engels
- Euskirchen: Tuchfabrik Müller
- Oberhausen: Zinkfabrik Altenberg mit dem „Museumsbahnsteig“ (stillgelegter Bahnsteig an Gleis 4 / 5 des Oberhausener Hauptbahnhofs) und den Sammlungen im Peter-Behrens-Bau
- Oberhausen: St.-Antony-Hütte mit dem Museum Eisenheim in der ältesten Arbeitersiedlung Eisenheim des Ruhrgebiets in OB-Osterfeld und dem LVR-Industriearchäologischen Park
- Ratingen: Textilfabrik Cromford
- Solingen: Gesenkschmiede Hendrichs
Das zentrale Sammlungsdepot befindet sich im „Peter-Behrens-Bau“, dem ehemaligen Hauptlagerhaus der Gutehoffnungshütte in Oberhausen, das zwischen 1921 und 1925 nach einem Entwurf des Architekten Peter Behrens erbaut wurde.