Kommunale Gebietsreform

Staatliche und kommunale Verwaltungsstrukturen sind nicht statisch, sondern unterliegen einem Anpassungsdruck durch sich verändernde demographische, wirtschaftliche oder technische Verhältnisse. Neugliederungen kommunaler Räume sind daher kein genuin neuzeitliches Phänomen, vielmehr gibt es eine lange Tradition kommunaler Gebietsreformen in der deutschen Geschichte.

 

Reformen 1929 und 1975

Kommunale Gebietsreform 1929

Sich verändernde Verhältnisse prägten auch die Weimarer Republik, in der die Industrialisierung und das damit verbundene enorme Bevölkerungswachstum in vergleichsweise kurzer Zeit den Ausbau der kommunalen Infrastruktur wie Straßen, Eisenbahnen, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung notwendig machten. Gleichzeitig mussten aber auch die Grenzen und Strukturen der kommunalen Verwaltungen diesen Entwicklungen immer wieder angepasst werden. Die Raumplanung sollte nun großflächiger organisiert und der Staat in diese Planungsprozesse massgeblich integriert werden. So war es schließlich der preußischen Innenminister Albert Karl Wilhelm Grzesinski, der, nachdem es bereits zu Beginn der 1920er Jahre im Ruhrgebiet erste Bestrebungen größerer Grenzveränderungen gegeben hatte, am 6. Dezember 1927 dem Düsseldorfer Regierungspräsidenten den Auftrag erteilte, eine kommunale Neugliederung in seinem Bezirk zu planen. Ziel sollte es sein, durch eine auf modernen raumplanerischen Vorstellungen basierende Reform eine Vereinfachung und damit eine Verbilligung der kommunalen Verwaltungen zu erzielen.

Innerhalb von nur 18 Monaten wurden zahlreiche Stellungnahmen und Gutachten verfasst und die neu zu gliedernden Städte und Kreise bereist, um eine Neugliederung zu verabschieden. Am 29. Juli 1929 beschloss der preußische Landtag schliesslich das „Gesetz über die kommunale Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebiets“.

 

Der neue (Land-)Kreis Düsseldorf-Mettmann

Mit diesem Gesetz wur­de 1929 der Kreis Mett­mann auf­ge­löst und mit den ver­blie­be­nen Ge­bie­ten der eben­falls auf­ge­lös­ten Krei­se Düs­sel­dorf-Land und Es­sen-Land zum neu­en (Land-)Kreis Düs­sel­dorf-Mett­mann zu­sam­men­ge­schlos­sen, dessen Land­rats­amt in Düs­sel­dorf lag. Die Ge­mein­den Voh­win­kel und Cro­nen­berg so­wie Tei­le der Ge­mein­den Grui­ten, Ha­an, Har­den­berg-Ne­vi­ges, Schöl­ler und Wülfrath wur­den dem ebenfalls neu ge­bil­de­ten Stadt­kreis Bar­men-El­ber­feld ein­ge­gliedert. 1937 wur­den nochmal Ge­bie­te des Stadt­krei­ses Es­sen der Stadt Kett­wig im Kreis Düs­sel­dorf-Mett­mann zu­ge­schla­gen. Im Zu­ge der kom­mu­na­len Ge­biets­re­form von 1975 er­folg­te die er­neu­te Um­be­nen­nung in Kreis Mett­mann.

 

Kommunale Gebietsreform 1975

Hintergrund für die Reform von 1975 war die Erkenntnis, dass die Gemeindestrukturen, die letztmalig im Jahr 1929 eine größere Reform erfahren hatten, nicht mehr zeitgemäß waren. Indem größere Strukturen geschaffen wurden, sollte die Verwaltungskraft der Kreise und Gemeinden gestärkt werden. Vor Beginn der Neustrukturierung bestanden in Nordrhein-Westfalen sechs Regierungsbezirke mit 38 kreisfreien Städten und 57 Landkreisen; zu diesen gehörten 294 Ämter mit 1877 amtsangehörigen Gemeinden sowie 450 amtsfreie kreisangehörige Gemeinden. Ab dem 1. Januar 1975 gab es in NRW 31 (Land-)Kreise, 23 kreisfreie Städte und 373 amtsfreie kreisangehörige Gemeinden.

Bei der Neuordnung der Kreise sollte darauf geachtet werden, dass mindestens acht Gemeinden zu einem Kreis gehören, damit dieser seiner Ausgleichsfunktion hinreichend gerecht werden könne. Historische, konfessionelle oder landsmannschaftliche Argumente für den Zuschnitt eines Kreises sollten hinter den sachlichen Gründen zurückstehen. Das Land wurde im Vorfeld in Planungsregionen eingeteilt, und es wurden Ziele für die Neugliederung formuliert, wie z. B. Schaffung von Verkehrsverbindungen, Vermeidung übermäßiger Besiedlungen, Einrichtung unterschiedlicher Zonen (Ballungskerne, Ballungsrandzonen, ländliche Zonen) oder die Festlegung von Entwicklungsschwerpunkten und Entwicklungsachsen.

 

Der neue Kreis Mettmann

Mit dem am 1. Januar 1975 in Kraft getretenen „Düsseldorf-Gesetz“ wurde aus dem Kreis Düsseldorf-Mettmann der neue, um Kettwig, das wieder an Essen fiel, verkleinerte Kreis Mettmann. Vom auf­ge­lös­ten Rhein-Wup­per-Kreis kam die Stadt Lan­gen­feld an den Kreis Mett­mann. Die Stadt Monheim am Rhein verlor ihre Selbstständigkeit und wurde zunächst nach Düsseldorf eingemeindet. Dagegen klagte die Stadt erfolgreich vor dem nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshof in Münster und wurde schließlich zum 1. Juli 1976 eine wieder selbstständige und gleichzeitig zum Kreis Mettmann gehörende Stadt.

Der 407 Qua­drat­ki­lo­me­ter gro­ße Kreis Mett­mann ist heu­te mit 485.684 Ein­woh­nern (2019) ei­ner der am dich­testen be­sie­del­ten Krei­se Deutsch­lands. Er setzt sich zu­sam­men aus den zwei gro­ßen kreis­an­ge­hö­ri­gen Städ­ten Ra­tin­gen und Vel­bert und den acht mitt­le­ren kreis­an­ge­hö­ri­gen Städ­ten Er­krath, Ha­an, Hei­li­gen­haus, Hil­den, Lan­gen­feld (Rhein­land), Mett­mann, Mon­heim am Rhein und Wülfrath.

 

Demonstration für die Selbstständigkeit von Haan und Gruiten, Foto von 1974
Demonstration für die Selbstständigkeit von Haan und Gruiten

Zusammenfassung

Inhalt

Einordnung

Epoche(n):

  • 1918 - 1933
  • 1945 - 1974
  • ab 1975

Jahr:
1929 und 1975

Zugeordnete Kategorien

Quellen / Literatur

  • 200 Jahre Kreis Mettmann. Katalog zur Ausstellung, hrsg. v. Kreis Mettmann — Der Landrat, Kreisarchiv, Mettmann 2016.
  • Der Kraftakt: Kommunale Gebietsreform in Nordrhein-Westfalen, hrsg. vom Landtag Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2005.
  • Sabine Mecking/Janbernd Oebbecke: Die kommunale Neugliederung als gesellschaftliche und rechtliche Herausforderung in Vergangenheit und Gegenwart, in: Dies. (Hrsg.): Zwischen Effizienz und Legitimität. Kommunale Gebiets- und Funktionalreformen in der Bundesrepublik Deutschland in historischer und aktueller Perspektive, Paderborn 2009, S. 1-28.
  • Sigrid Wohlmann: Die neue Stadt Velbert (1975-2008), in: Velbert. Geschichte dreier Städte, hrsg. von Horst Degen, Christoph Schotten und Stefan Wunsch für den Bergischen Geschichtsverein Abtlg. Velbert/Hardenberg e. V., Köln 2009, S. 482-539.
  • Preußische Gesetzessammlung (PrGS), S. 91.
  • Zu den einzelnen Gesetzen: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen (GV. NRW., bis 1999 GV. NW.)
  • Birgit Markley: „Haan und Gruiten gehören zusammen!"
  • Joachim Schulz-Hönerlage: Gebietsreformen im Raum Ratingen-Angerland im 20. Jahrhundert, in: Die Quecke 86 (2016), S. 198-207.

Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Artikels die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an:

				
					Andrea Niewerth, Kommunale Gebietsreform, in: Kreislexikon Mettmann, abgerufen unter: https://kreislexikon-mettmann.de/thema/kommunale-gebietsreform/ (abgerufen am 13.10.2024)
				
			
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